Die ersten Corona-Bußgelder in Bayern wurden vor mehr als viereinhalb Jahren verhängt, auf die letzten noch offenen Forderungen will der Freistaat verzichten: Das bayerische Kabinett hat einen "umfassenden Schlussstrich" für die noch nicht abgeschlossenen Corona-Bußgeldverfahren beschlossen. "Die zuständigen Behörden werden Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen Corona-Rechtsvorschriften nicht weiterverfolgen", teilte die Staatskanzlei mit.
Damit setzt das Kabinett um, was Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits Mitte September bei der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz angekündigt hatte. "Wir wollen jetzt sozusagen Frieden haben", sagte Söder damals. Es sei auch ein "Signal" des Staates an alle Menschen, die mit der Corona-Zeit "sehr gehadert haben".
Ausstehende Geldbußen werden erlassen
Bei den zuständigen "Verfolgungsbehörden" anhängige Verfahren werden laut Staatskanzlei nun eingestellt. Und die Staatsanwaltschaften sollen bei Gerichten die Einstellung dort noch laufender Verfahren anregen. Wer sein Bußgeld bisher nicht gezahlt hat, muss es nicht mehr tun: "Bei bereits rechtskräftigen Bußgeldbescheiden findet keine weitere Vollstreckung statt, die noch ausstehende Geldbuße wird erlassen."
Dieser Schlussstrich gilt für sämtliche bei Kreisverwaltungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten anhängigen Bußgeld- und Vollstreckungsverfahren "wegen Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Verstößen gegen Corona-Rechtsvorschriften". Darunter fallen beispielsweise die bayerischen Corona-Verordnungen, die Einreise-Quarantäneverordnungen sowie die Allgemeinverfügungen zu Isolation und Quarantäne.
Nicht erfasst sind den Angaben zufolge Bußgeldverfahren zu Verstößen, die auf Vorschriften beruhen, die unabhängig von der Corona-Pandemie galten. Wer also beispielsweise bei einer Corona-Demonstration gegen allgemeine Vorschriften für Versammlungen verstoßen hat, muss weiterhin mit einer Geldbuße rechnen.
Erstattet wird nichts: Kritik der SPD
Für all jene, die im Lauf der Jahre schon ein Bußgeld überwiesen haben, ändert der Schlussstrich nichts: "Vollständig abgeschlossene Verfahren bleiben unberührt, bereits bezahlte oder vollstreckte Bußgelder werden nicht erstattet."
Der Rechtsexperte der SPD im Landtag, Horst Arnold, kritisiert auf BR-Anfrage den Beschluss der Staatsregierung. Dieser sei "eine Herausforderung für alle Menschen in Bayern, die anlässlich ihres damaligen Fehlverhaltens rechtstreu und einsichtig Bußgelder bezahlten". Sie müssten sich düpiert und herabgesetzt fühlen. "So erzeugt man keine rechtsstaatliche Glaubwürdigkeit", beklagt der ehemalige Staatsanwalt und Richter.
Zugleich sei es eine "geradezu hohnstrotzende Herausforderung" für die betroffenen Verwaltungen. Sie hätten nach Vorgaben der Staatsregierung Verfahren eingeleitet, die sie jetzt einstellen müssten. "Ein von der Staatsregierung erzeugtes bürokratisches Beschäftigungsprogramm für eh schon überlastete Verwaltungen und Gerichte." Arnold erinnert daran: "Bayern brüstete sich damals mit den konsequentesten und härtesten Regelungen. Was kümmert das heute?"
Hohe Bußgelder in Bayern
Einen ersten Corona-Bußgeldkatalog gab es in Bayern im Frühjahr 2020, im Laufe der Zeit wurde er immer wieder an die gerade geltenden Regeln angepasst. Für das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund wurden anfangs 150 Euro fällig, für Verstöße gegen die Maskenpflicht später 250 Euro. Einen Regelsatz von 500 Euro sah der bayerische Bußgeldkatalog für das Feiern auf öffentlichen Plätzen vor, bis zu 5.000 Euro sollten Unternehmen oder Betriebe im Fall eines Verstoßes zahlen.
Laut Gesundheitsministerium wurden bis Ende Juli mehr als 240.000 Verfahren abgeschlossen. Dabei ging es um Bußgelder in einer Gesamthöhe von mehr als 42,2 Millionen Euro.
In welcher Höhe jetzt Geldbußen erlassen werden, ist unklar. Anfang Juli waren noch rund 17.600 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen bayerische Corona-Beschränkungen offen. "Nach Kenntnis des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) sind diese Zahlen durch zwischenzeitlich erfolgte Bearbeitungen der betreffenden Verfahren überholt", teilt ein Ministeriumssprecher dem BR mit. "Konkrete aktuellere Zahlen liegen dem StMGP derzeit nicht vor."
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